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Biopiraterie - oder wie aus Gemeingut Privateigentum wird

Biopiraterie ist ein politischer Begriff, mit dem die Privatisierungs- und Aneignungsprozesse von Leben in Form von Pflanzen oder Tieren und Teile dieses Lebens oder Genen sowie das Wissen um die Nutzung dieser Lebensformen mittels des Rechts aufgeistiges Eigentum- wie z. B. Patente - kritisiert wird. (1)

Neue Patentgesetze berücksichtigen kaum die Kenntnisse der indigenen Bevölkerung, die damit den Ansprüchen von außen schutzlos ausgesetzt ist. Diese Gesetze ignorieren die kulturelle Vielfalt bei der Entwicklung von Innovationen und die Teilhabe daran. Ebenso wenig berücksichtigen sie die vielfältigen Ansichten darüber, was Gegenstand von Eigentumsansprüchen sein kann und darf: von Pflanzensorten bis zum menschlichen Leben. Das Ergebnis ist ein stillschweigender Diebstahl von über Jahrhunderte erworbenem Wissen, der von den entwickelten Ländern an den Entwicklungsländern begangen wird. (2)

Im Buch Projekte der Hoffnung (3) las ich kürzlich zum ersten Mal von Biopiraterie. Im Interview mit Vandana Shiva (4) geht es um den Fall des Niembaumes, der seit Jahrhunderten von der lokalen, südindischen Bevölkerung genutzt wird, bis plötzlich über 90 Patente auf seine Wirkung erteilt werden. Erst nach einem über 10 Jahre andauernden Kampf werden diese Patente aufgehoben (5).

Rasante Entwicklung bei den Patentanmeldungen

Als ich das Thema genauer recherchiere, finde ich heraus, dass die ganze Patentgeschichte eine ziemlich neue Entwicklung ist. Bis in die 1960iger Jahren konnten in Deutschland z. B. noch nicht einmal Medikamente patentiert werden - angesichts globaler Seuchen und Armut ein sehr humaner Zustand. Ab Mitte der 1990er Jahre wurde das Patentrecht dann allerdings globalisiert und durch den Vertrag der Welthandelsorganisation WTO ("Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte von Rechten an geistigem Eigentum" bzw. "Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights", TRIPS; sehr interessant die Kritik im Wikipedia-Artikel (6)) müssen nun nahezu alle Staaten der Welt Patentschutz für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik gewähren - wobei das Verständnis des Begriffes "Technik" immer weiter ausgedehnt wird: waren es früher Produkte und Verfahren, umfasst es heute Arzneimittel, einzelne Gene und inzwischen wird auch schon versucht, konventionelle Methoden zur Züchtung von Pflanzen und Tieren zu patentieren.

Während die Frage, ob man Patente auf Saatgut, konventionellen Pflanzensorten und Nutztierrassen überhaupt erteilen kann, noch umstritten ist (7), steht bereits ein Präzedenzfall an: es geht um Brokkoli, um dessen konventionelles Saatgut und konventionelle Züchtungsmethoden (und explizit nicht um eine gentechnisch veränderte Pflanze!) (8).

Biodiversitäts-Konvention: gut gedacht, aber...

In diesem Zusammenhang finde ich es interessant,, dass es bereits eine völkerrechtlich verbindliche Konvention gibt: die Biodiversitäts-Konvention, (9). Über 190 Staaten haben sie unterschrieben und verpflichten sich damit zum Schutz der biologischen Vielfalt, sowie der nachhaltigen Nutzung ihrer Bestandteile. Vor allem aber fordert die CBD auch eine Zugangsregelung und den gerechter Ausgleich von Vorteilen, welche aus der Nutzung genetischer Ressourcen entstehen. Mit anderen Worten ausgedrückt: diejenigen, die genetische Ressourcen zur Verfügung stellen (also indigene Völker, Züchtergemeinschaften etc.), müssen der Nutzung zustimmen.

Leider wurde die Biodiversitäts-Konvention aber nur von Staaten unterzeichnet - und nicht von Unternehmen. Und die Anerkenntnis der CBD ist leider auch keine Voraussetzung für die Erteilung eines Patents. Die Folge: Unternehmen können sich weiterhin über Patente Monopolrechte an genetischen Ressourcen sichern, ohne irgendeine Vereinbarung den Bereitstellern zu treffen.

In den meisten Industrieländern gibt es bisher keine Gesetze, die dieses Vorgehen unterbinden und den Biopiraten drohen keinerlei Sanktionen. Und es kommt noch schlimmer: die Mitgliedstaaten der WTO sind sogar verpflichtet, den Biopiraten Patentschutz bereitzustellen und ihnen praktisch Monopolrechte zur Nutzung des geschützten Produktes oder Verfahrens zu gewähren.

Karin Ulrike Soika

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